Nach einer vierwöchigen Anhörung im letzten Monat, bei der einige schwerwiegende Anschuldigungen gegen Kardinal George Pell abgewiesen wurden, hat Richterin Belinda Wallington am Dienstag entschieden, Pell vor Gericht zu stellen.
Vaticanhistory – Martin Marker.
„Crux“ in den Vereinigten Staaten von Amerika und mehrere australische Zeitungen haben heute nach der Gerichtsentscheidung von Richterin Wallington umgehend über ihre Entscheidung berichtet.
Kardinal George Pell, einer der einflussreichsten Kirchenmänner neben Papst Franziskus darf vorerst nicht in den Vatikan zurückkehren, und muss sich vor Gericht wegen sexuellem Missbrauch in mehreren Fällen verantworten.
Wann der Prozess stattfinden wird, ist noch unklar. Nach mehreren australischen Quellen kann ein derartiges Strafverfahren durchaus 12 bis 18 Monate dauern. Wenn ein Verhandlungstermin festgesetzt ist, wird sich Pell vor dem Melbourner County Court verantworten müssen. Sein Top-Verteidiger Robert Richter könnte für die verbliebenen Anklagepunkte separate Verfahren anstreben. Bereits nach Abschluss der vierwöchigen Anhörung der Zeugen hatte man erwartet, dass Magistrat Belinda Wallington wahrscheinlich ein Verfahren eröffnen wird. Genauso wurde es dann von ihr heute bekannt gegen.
Robert Richter QC sagte noch im März, dass eine Jury Kardinal Pell wegen der Unwahrscheinlichkeit der Vorwürfe und der Unglaubwürdigkeit der Zeugen nicht verurteilen könne.
Kardinal Pell hatte in der Vergangenheit immer wieder die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen energisch zurückgewiesen. Am Dienstag plädierte er auf
„nicht schuldig“.
Gemäß Medienberichten aus Australien sind die schwerwiegendsten Anklagepunkte von zwei Klägern vorgebracht worden, von denen einer sexuelle Vorwürfe in einem Kino in der australischen Stadt Ballarat in den 1970er Jahren Pell vorwirft. Zu dieser Zeit arbeitet Pell noch als Priester vor Ort. Der andere Ankläger sagt, er sei in den 1990er Jahren in Melbournes St. Patrick’s Kathedrale sexuell missbraucht worden, als Pell bereits der Erzbischof von Melbourne war.
Einige Anklagepunkte wurden jedoch bereits im März gegen Pell fallen gelassen. Ein Kläger war im Januar verstorben und ein Anderer wurde aus medizinischen Gründen für untauglich erklärt.
Die Anhörung am Dienstag hatte um 10 Uhr begonnen und dauerte knapp eineinhalb Stunden. Anschließend ertönte Applaus in der kleinen Menschenmenge am Hinterausgang des Gerichtssaals. Vor dem Gerichtsgebäude in Melbourne war eine Menge von Polizei, Medien und Demonstranten.
Anwalt Robert Richter QC beanstandete Kaution. Pell darf somit das Land nicht mehr verlassen und hat seinen vatikanischen Pass an die Behörde übergeben. Herr Richter argumentierte, dass sein Klient Besucher empfangen möchte.
Unmittelbar nach der Anhörung gab die Erzdiözese Sydney eine Erklärung heraus, in der sie sagte, dass sie sich nicht zu dem Gerichtsverfahren äußern würde und dass die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen sollte.
Kardinal Pell kann und darf derzeit nicht in den Vatikan zurückkehren. Papst Franziskus wird auf seinen Präfekten des Sekretariats für die Wirtschaft und sein Mitglied des Kardinalsrates K9 noch geraume Zeit warten müssen. Aber was für den Papst noch schlimmer sein dürfte, ist die Tatsache, dass einer seiner höchsten Würdenträger der katholischen Kirche wegen sexuellem Missbrauch vor Gericht gestellt wird. Franziskus hatte in der Vergangenheit mehrmals eine „Null-Toleranz Politik“ in Missbrauchsfällen von Kleriker betont. Die Realität scheint ihn aber mehr und mehr einzuholen.
Der Fall Pell ist leider kein Einzelfall. Erst an diesem Wochenende sprach der Papst mit Missbrauchsopfern aus Lateinamerika, welche schwere Anschuldigungen im „Fall Bischof Barros“ und zweier Kardinäle in Chile anprangern. Hinzu kommt noch, dass ein weiterer Fall von Missbrauch und Korruption in Honduras im Raum steht. Hier geht es um den Koordinator des Kardinalsrates K9 im Vatikan Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga und seinen Weihbischof Juan Jose Pineda im heimatlichen Erzbistum Tegucigalpa.
Im Fall Kardinal Pell wird der Papst abwarten müssen. Vor dem Abschluss seines Gerichtsverfahrens wird Franziskus sicherlich keine Entscheidung treffen. Die derzeit schwebenden Fälle „Chile“ und „Honduras“ sind für den Papst äußerst unangenehm. Kritiker werfen ihm und dem Vatikan vor, in Sachen Missbrauch einfach unglaubwürdig geworden zu sein. (vh – mm)