{WOHNLESE}: INSPIRATION IM ÜBERFLUSS

Es gibt Bücher, die hauen einen buchstäblich um, wenn man sie das erste Mal durchblättert. Und beim nächsten Mal wieder.... und wieder.... und immer wieder.
Unter den Interior-Design-Bänden, die innerhalb des letzten Jahres erschienen sind, gibt es einige, die die Kraft haben, so starke Emotionen auszulösen.

Beginnen wir für einmal mit einer europäischen Produktion: "Interiors - Country & City" ist ein vergleichsweise neutraler Titel, verglichen mit dem Feuerwerk an Ideen, das uns zwischen den Buchdeckeln erwartet.

Autor Piet Swimberghe ist Belgier; viele der 49 vorgestellten Wohnungen bzw Häuser liegen in den Benelux-Staaten Belgien und Holland, das Buch folgt aber auch den Spuren von Designern aus diesen Ländern nach Frankreich und England. Wie der Untertitel besagt, ist der Inhalt in Land- und Stadt-Stil zweigeteilt. Die meisten der Beispiele sind erfrischend neu und wurden noch nicht durch unzählige Magazine geschleift...

Schon die erste Wohnlandschaft ruft im aufmerksamen Leser den dringenden Wunsch wach, die eigenen vier Wände sofort und radikal umzugestalten. Das "Modern Cottage" gehört einer Mode-Designerin, man sieht die professionelle Hand sofort... Vor dunklen Wänden (grünlich-braun mit weisser Decke) sehen die weissen Polstersessel mit rotgetreiften Kissen herrlich einladend aus.

Weisse Sessel, blaue Akzente, gestreifte Teppiche als Blickfang - es geht gut los

Es gibt Häuser, die mit so viel altem Holz ausgestattet sind, dass man am liebsten als Holzwurm wiedergeboren würde; aber auch ein kühles Haus in Marrakesch, das in den typischen Farben weiss und blau gehalten ist; nicht minder spektakulär ist die Mühle ohne Mühle, in der der Herzog von Windsor mit seiner Frau Wally Simpson lebte und weltberühmte Gäste wie Maria Callas, Marlene Dietrich und Henry Ford empfing. Dieses idyllische Landhaus ist heute so klassisch zeitgenössisch eingerichtet - der Herzog würde sich darin wohl kaum zurecht finden...

So hätte sich der Herzog von Windsor seine Mühle in Frankreich wohl nicht vorgestellt

Die kurzen Begleittexte in belgisch, englisch und französisch erzählen, wie die Menschen zu ihren Häuser stehen - warum ein Ehepaar die Weltstadt New York für ein Landhaus nahe dem belgischen Seebad Knokke hinter sich gelassen hat und das Mondäne doch mitgenommen hat; in Form von Designklassikern wie dem unverkennbaren Loungechair von Eames.

Auffallend ist der Mut, mit der die Menschen alte Gemäuer mit modernen, zeitlosen Möbeln füllen- und wie wunderbar diese Symbiose funktioniert. Selbst die Beispiele klassischer Interieurs sind bemerkenswert homogen.
Ebenso ideenreich und bunt sind die Beispiele aus der City - das riesige Apartement eines Künstlers in Mailand ist ebenso gross wie chic. Schon auf der nächsten Seite betritt man die Wohnung des Modedesigners Eric Bergère in Paris, die eine dreidimensionale und äusserst wohnliche Hommage an den grossen David Hicks ist. Die argentinischen Wurzeln kann Bergère allerdings nicht leugnen; er setzt auf warme Farbtöne (rot an den Wänden und gelb auf den Stühlen).

Ob klassisch oder classic - "Interiors" hat für jeden Geschmack etwas

"Interiors" - vielleicht ist der Titel doch nicht so falsch gewählt; denn er presst den Inhalt in kein Schema und konzentriert sich auf das Wesentliche - das Einrichten von Wohnlandschaften. Autor Swimberghe will uns damit wohl sagen, dass unter dem Begriff "Interiors" alles möglich ist. Erlaubt ist, was gefällt. In die Bibliothek gehört der Band auf jeden Fall.